Freitag, 9. Januar 2015
Gott lügt und fürchtet sich (Gen. 3)
Diese ganze Geschichte mit dem Sündenfall lag doch irgendwie von Anfang an in der Luft. Da erschafft Gott einen Garten Eden voller Bäume, allesamt „verlockend anzusehen“, und ausgerechnet in das Zentrum dieses paradiesischen Grünlands, damit er auch nicht zu übersehen ist, pflanzt er den „Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen“. Und besonders spannend wird die Sache, als Gott sein erstes Verbot überhaupt ausspricht: „Aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm isst, musst du des Todes sterben.“
Es mutet schon etwas gruselig an, dass der Tod gleich bei seiner ersten Erwähnung in der Bibel ausgerechnet als Strafe daherkommt. Nicht nur ein willkommenes Argument für alle politischen Systeme, in denen sich der Justizapparat zum Herrn über Leben und Tod aufschwingt, auch ziemlich ernüchternd, was die Zustände im Nachleben angeht, wenn sie als Strafe herhalten können.
Die Schlange, „listiger als alle Tiere“, hat Gottes Bluff durchschaut: Wer die verbotenen Früchte isst, wird nicht sterben, sondern wissen, „was gut und böse“ ist. Und damit könnten die Menschen „sein wie Gott.“ Wenn das nicht verführerisch klingt!
Und so naschen erst die Frau und dann der leicht beredbare Mann vom Baum der Erkenntnis. Und sofort fallen die Gefühlslagen und Reaktionen vollkommen durcheinander: Die Menschen erkennen ihre Nacktheit, aber ist sie gut oder böse? Das bleibt unklar, denn sie sind von ihr einfach nur überfordert. Der Mann gesteht, dass er sich „fürchtete“ wegen seiner Blöße. Deshalb fühlen sich die Menschen von der Schlange betrogen.
Verleiht der Baum der Erkenntnis doch nicht Einsicht in das Gute und Böse, sondern irritiert lediglich, wie die Menschen glauben? Oder verwirrt Erkenntnis immer? Denn Gott zweifelt keine Sekunde daran, dass die so verschreckten Menschen von den verbotenen Früchten gegessen haben.
Und wie reagiert er? Doppelt bemerkenswert. Zum einen straft er sich selbst Lügen, indem er gnädig ist und die angedrohte Todesstrafe in – völlig ungnädige, weil erbliche – körperliche Schmerzen abmildert. Die Schlange hat Recht behalten: Wer vom Baum nascht, muss nicht sterben, wie Gott es behauptet hat. Er hat gelogen.
Zum anderen hat er Angst. So murmelt er vor sich hin: „Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner und weiß, was gut und böse ist. Nun aber, dass er nur nicht ausstrecke seine Hand und breche auch von dem Baum des Lebens und esse und lebe ewiglich!“ Gott fürchtet, dass der Mensch wie er werden könnte – und mehr noch: Da Gott geschlechtslos ist, die Menschen sich aber vermehren können und auch sollen, dürften sie ihn bald, ihm gleich und zahlenmäßig weit überlegen, an den Rand gedrängt haben. Das befürchtet Gott und deshalb wirft er die Menschen aus dem Paradies und lässt es fortan von bewaffneten Engeln bewachen. Eins wird deutlich: Die Schöpfung ist dem Schöpfer nicht so ganz geheuer.

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Donnerstag, 8. Januar 2015
Der Mensch als Ökobauer (Gen. 2,4b–2,25)
Ausgerechnet das sagenhafte Paradies, nach dem sich die Menschen seit jeher sehnen, ist der erste Ort, der sich wenigstens einigermaßen geografisch verortet lässt. Der Garten Eden soll sich (von wo aus?) „gegen Osten hin“ befinden. In ihm entspringt ein Fluss, der sich in den Euphrat, den Gihon, den Pischon und den Tigris aufspaltet.
Nun haben Euphrat und Tigris keine gemeinsame Quelle und welche Flüsse mit Gihon und Pischon gemeint sein könnten, haben Theologen, Bibelforscher und Archäologen bislang nicht herausgefunden. Das scheint auch im Detail gar nicht so wichtig zu sein. Der Garten Eden, der erste in der Bibel verbürgte Wohnort der Menschen, befand sich trotzdem zweifellos genug im Nahen Osten, irgendwo im nördlichen Zweistromtal, das laut Bibel eigentlich ein Vierstromland war.
Das Paradies erinnert ein bisschen an ein Puppenhaus: Gott setzt den Mensch hinein und bietet ihm Nahrung und Spielgefährten („Hilfen“) an, bis er durch die Aufspaltung des Menschen in Mann und Frau dem Mensch endlich eine geeignete Begleitung schafft: sich selbst.
Das Leben des Menschen im Paradies ist klar bestimmt: Er soll den Garten quasi als nudistischer Ökobauer bewirtschaften und bewahren, den Tieren Namen geben und sich vermehren. Der menschliche Urzustand ist also ein absolutes Gärtnerdasein ohne Hütte und Kleidung. Allein vom paradiesischen Klima her schon beneidenswert.

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Höchst motiviert. Sobald die ersten hundert Seiten rum sind, wird es sich wie Butter lesen. Wird es doch, oder? So viele, dünne, immer gleich bedruckte Seiten ...

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Mittwoch, 7. Januar 2015
Der doppelte Geburtstag des Menschen (Gen. 2,4b–25)
Gleich im Anschluss an die Entstehungsgeschichte, mit der die Bibel einsetzt, wird eine zweite Version der Erschaffung des Menschen angeboten. Und das sorgt für reichlich Verwirrung, denn nach dem ersten Schöpfungsbericht, der im Wesentlichen eine Chronologie der Ereignisse von sieben Tagen umfasst, wurde der Mensch spätestens am vierten Tag (mit den Sternen als Kalender und Kompasse des Menschen) gedacht und am sechsten Tag erschaffen. Und zwar nach Gottes Ebenbild und als Mann und Frau.
Im zweiten Schöpfungsbericht verhält sich die Sache grundlegend anders. Zunächst der Zeitpunkt: Hier wird der Mensch an einem Tag erschaffen, an dem es noch keine Landpflanzen gibt – also vor dem dritten Tag. Steht der Mensch in dem ersten Bericht quasi als Krönung der Schöpfung an letzter Stelle, führt er im zweiten Bericht die Schöpfung geradezu an: Der Mensch wird hier vor allen übrigen, erst ab dem dritten Tag erschaffenen Lebewesen kreiert, direkt nach Licht und Himmel. Diese Reihenfolge erscheint äußerst fragwürdig, da doch Gott den Mensch aus Erde schafft und dieser ein Landlebewesen ist – die Erde aber erst am dritten Tag von Gott vom Wasser freigelegt wird. Mit dem größten Augenzudrücken ließe sich vermuten, dass an diesem Tag zuerst die Erde, dann der Mensch und zuletzt die Landpflanzen erschaffen worden sind. Was aber grundsätzlich nichts daran ändert, dass wir es auf den ersten beiden Seiten der Bibel mit zwei Geburtsterminen für den Mensch zu tun haben: Tag sechs und Tag drei der Schöpfung.
Doch nicht nur hinsichtlich des Zeitpunkts seiner Schöpfung, auch hinsichtlich der Art des Menschen unterscheidet sich die zweite Schöpfungsgeschichte stark von der ersten. War der Mensch in letzterer sofort als Mann und Frau vorgestellt worden, erscheint der Mensch in dem zweiten Bericht als geschlechtsloses Wesen, das weder Frau noch Mann ist. Gottgleich hieße hier: ohne Geschlecht zu sein und den Zwängen des geschlechtlichen Triebs entzogen zu bleiben.
Diese Ein-heit des Menschen wird auch nicht dadurch aufgelöst, dass Gott aus der Rippe des Menschen eine Frau formt und dadurch den ursprünglich geschaffenen Mensch im Umkehrschluss als Mann definiert. Denn einen wahren Gegensatz der Geschlechter gibt es hier nicht: Frau und Mann sind gleichermaßen aus dem von Gott erschaffenen Mensch hervorgegangen und streben ausdrücklich zueinander. Sie sind und bleiben somit eine Einheit.

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