Mittwoch, 7. Januar 2015
Der doppelte Geburtstag des Menschen (Gen. 2,4b–25)
Gleich im Anschluss an die Entstehungsgeschichte, mit der die Bibel einsetzt, wird eine zweite Version der Erschaffung des Menschen angeboten. Und das sorgt für reichlich Verwirrung, denn nach dem ersten Schöpfungsbericht, der im Wesentlichen eine Chronologie der Ereignisse von sieben Tagen umfasst, wurde der Mensch spätestens am vierten Tag (mit den Sternen als Kalender und Kompasse des Menschen) gedacht und am sechsten Tag erschaffen. Und zwar nach Gottes Ebenbild und als Mann und Frau.
Im zweiten Schöpfungsbericht verhält sich die Sache grundlegend anders. Zunächst der Zeitpunkt: Hier wird der Mensch an einem Tag erschaffen, an dem es noch keine Landpflanzen gibt – also vor dem dritten Tag. Steht der Mensch in dem ersten Bericht quasi als Krönung der Schöpfung an letzter Stelle, führt er im zweiten Bericht die Schöpfung geradezu an: Der Mensch wird hier vor allen übrigen, erst ab dem dritten Tag erschaffenen Lebewesen kreiert, direkt nach Licht und Himmel. Diese Reihenfolge erscheint äußerst fragwürdig, da doch Gott den Mensch aus Erde schafft und dieser ein Landlebewesen ist – die Erde aber erst am dritten Tag von Gott vom Wasser freigelegt wird. Mit dem größten Augenzudrücken ließe sich vermuten, dass an diesem Tag zuerst die Erde, dann der Mensch und zuletzt die Landpflanzen erschaffen worden sind. Was aber grundsätzlich nichts daran ändert, dass wir es auf den ersten beiden Seiten der Bibel mit zwei Geburtsterminen für den Mensch zu tun haben: Tag sechs und Tag drei der Schöpfung.
Doch nicht nur hinsichtlich des Zeitpunkts seiner Schöpfung, auch hinsichtlich der Art des Menschen unterscheidet sich die zweite Schöpfungsgeschichte stark von der ersten. War der Mensch in letzterer sofort als Mann und Frau vorgestellt worden, erscheint der Mensch in dem zweiten Bericht als geschlechtsloses Wesen, das weder Frau noch Mann ist. Gottgleich hieße hier: ohne Geschlecht zu sein und den Zwängen des geschlechtlichen Triebs entzogen zu bleiben.
Diese Ein-heit des Menschen wird auch nicht dadurch aufgelöst, dass Gott aus der Rippe des Menschen eine Frau formt und dadurch den ursprünglich geschaffenen Mensch im Umkehrschluss als Mann definiert. Denn einen wahren Gegensatz der Geschlechter gibt es hier nicht: Frau und Mann sind gleichermaßen aus dem von Gott erschaffenen Mensch hervorgegangen und streben ausdrücklich zueinander. Sie sind und bleiben somit eine Einheit.

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