Montag, 5. Januar 2015
Die Schöpfung oder Von Samenspenden, feuchten Löchern im All und dem Großen Unbekannten, der alles aus nichts zusammenfügt (Gen. 1,1–1,8)
Zu Beginn gleich eine Überraschung: Das erste der fünf Bücher Mose kommt ganz ohne seinen Titelhelden aus. Ein Mann namens Mose wird mit keiner Silbe erwähnt in der Genesis, dem Buch von der Schöpfung. Und noch eine Überraschung: Genesis ist ein griechischer Begriff (für, das dann aber nicht gerade überraschend, die Schöpfung), kein hebräischer oder aramäischer, wie vielleicht vermutet werden könnte. Ein erster Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der Bibel, speziell des Alten Testaments: Schon einige Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung wurden die hebräischen Urtexte in das Griechische, die antike Verkehrssprache des östlichen Mittelmeerraums, übertragen und so auch Nicht-Juden zugänglich gemacht. Hier präsentiert sich eine regional begrenzt getragene Religion alles andere denn als geheimnisumwobene Sekte. Das frühe Judentum zeigt sich weltoffen und einladend für die verstreut siedelnden Gläubigen, aber auch für Außenstehende.
Aber solche Bemerkungen sind wohl eher für die Überlieferungsgeschichte des Bibeltextes und die Verbreitung der jüdisch-christlichen Glaubensgrundlagen von Bedeutung, ihre eigentliche Brisanz zieht die Genesis mehr aus sich selbst. Schon ihr erste Satz hat es ordentlich in sich: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“
Hierüber ließe sich endlos den Kopf zerbrechen: Gott existierte also vor dem Anfang – Wer erschuf ihn? Und woraus? Woher hat er seine Kraft, womit vertrieb er sich die Zeit und weshalb begann er überhaupt seine Schöpfung? Zumindest über letztere erfährt der Leser mehr, denn die Erde wird als „wüst und leer“ und an den tiefen Stellen „finster“ beschrieben. Der Himmel bleibt hingegen ein unbekanntes Mysterium, dafür existierte offenbar schon Wasser, denn über dieses schwebte „der Geist Gottes.“ Wieder ein Rätsel. Wie lässt sich der Geist Gottes vorstellen, wenn nicht einmal Gott so richtig und eigentlich überhaupt nicht erfassbar wird? Die Textstelle schweigt sich aus. Gott wirkt hier ein bisschen wie so ein anonymer Samenspender, der unerkannt die Schöpfung betreibt. Nur dass man sicher sein kann, dass Gott es nicht nur für Geld gemacht hat. Und seinen Namen kennen wir immerhin auch. Und offenbar braucht er nichts und niemanden für seine Schöpfung. Er schafft aus dem Nichts.
Nun gut, bei allem Rätselhaften geht es wenigstens mit dieser Schöpfung voran. Am ersten Tag wird noch Licht gemacht und dieses als Tag, die Finsternis dagegen als Nacht bezeichnet. Am zweiten Tag wird es interessanter: Gott kreiert eine trennende „Feste zwischen den Wassern“ und nennt sie „Himmel“. Quasi nachgeschoben wird hier die Beschreibung des Himmels, der schon zu Beginn des ersten Buch Mose vorausschauend als existent angenommen wurde. Am Abend des zweiten Tages gibt es also schon die Erde, das Wasser darauf, den Himmel als feste Schicht darüber – und wieder eine Schicht Wasser. Nach der Genesis besteht also das All aus Wasser, und zwar aus genau demselben Wasser, das auch auf der Erde zu finden ist. Und der Himmel hat eine feste Struktur, stark genug, das Wasser im All eben genau dort zu halten – eine herrliche Vorstellung, sich im Regen ein Durchsickern kosmischen Wassers durch einen vorübergehend löchrig gewordenen Himmel zu denken.

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